Lebensmittel retten und Menschen helfen
Wiesloch. Montagmorgen in Wiesloch: Während manche noch ihre erste Tasse Kaffee trinken, sind Inno Santner (75) und Gerhard Boschert (80) bereits auf Tour. Seit acht Jahren fahren die beiden im Auftrag der Wieslocher Tafel durch die Region, sammeln Lebensmittel ein und sorgen dafür, dass bedürftige Menschen versorgt werden können. Ihre Ziele sind Supermärkte, Bäckereien und kleine Geschäfte, die freiwillig überschüssige Ware spenden. Santner und Boschert sind ein eingespieltes Team. „Wir kennen unsere Route auswendig“, erklärt Santner während der dreistündigen Tour, bei der jeder Handgriff sitzt. „Wir sind ein Bombenteam“, sagt er stolz. Und das nicht nur im Tafel-Alltag: Vor drei Jahren gründeten die Tafelfahrer eine Wandergruppe, die sich jeden ersten Mittwoch im Monat trifft und gemeinsam unterwegs ist.
Gemeinsam anpacken und helfen
Die beiden Männer kennen sich erst durch ihre Arbeit bei der Tafel. Während Santner seit zehn Jahren dabei ist, engagiert sich Boschert bereits seit 15 Jahren. „Es ist ein tolles Gefühl, etwas Sinnvolles für andere Menschen zu tun“, sagt Santner. Die Motivation, sich zu engagieren, kam ihm, als er las, dass die Wieslocher Tafel Fahrer suchte: „Ich habe mich gemeldet, und es hat sofort geklappt.“ Am vergangenen Montag (9. Dezember) holten die beiden gemeinsam mit der Landtagsabgeordneten Christiane Staab (CDU) Lebensmittel ab. Staab, die vier Stunden lang mithalf, zeigte sich vom ganzen Wieslocher Helferteam sehr beeindruckt: „Das ehrenamtliche Engagement, das hier alle einbringen, verdient meinen höchsten Respekt. Es ist bewundernswert, wie hier für andere Menschen angepackt und geholfen wird.“
Sonja Huth: Die Frau hinter der Wieslocher Tafel
Die Wieslocher Tafel ist das Werk von Sonja Huth, von der die Initiative ausging, die Mitgründerin des Vereins und bis zum heutigen Tag deren Vorsitzende ist. Huth: „Vor 17 Jahren begann alles mit einer Frau aus meinem Bekanntenkreis, die als alleinerziehende Mutter verschuldet war und Schwierigkeiten hatte, ihre Kinder zu ernähren. Gleichzeitig habe ich gesehen, wie in Supermärkten Lebensmittel weggeworfen wurden. Da habe ich gemerkt, dass etwas nicht stimmt.“
2006 wurde die Wieslocher Tafel gegründet, 2007 eröffnete der erste Tafelladen und verfügte damals über eine Fläche von 50 Quadratmetern. Heute umfasst der Laden 180 Quadratmeter und ist eine feste Größe in der Region. Über 90 Ehrenamtliche engagieren sich in Teams, die Lebensmittel abholen, sortieren und verkaufen. „Das gemeinsame Engagement ist uns wichtig“, betont Huth. Neben der Arbeit gibt es auch gemeinsame Aktivitäten wie Weihnachtsmarktbesuche. Trotz der vielen Helfer bleibt die Arbeit eine Herausforderung. Besonders berührend sind die Geschichten der Menschen, die Unterstützung suchen. Huth erzählt von einer alleinerziehenden Mutter mit drei Kindern, deren Kind nach einem Einkauf sagte: „Mama, jetzt können wir uns endlich mal wieder satt essen.“ Auch eine hochbetagte Seniorin, die kürzlich zum ersten Mal die Tafel aufsuchen musste, geht ihr nahe.
Gesetzliche Regelung für Lebensmittelabgabe wünschenswert
Die Nachfrage bei der Wieslocher Tafel sei in den letzten Jahren stark gestiegen, seit Beginn des Ukrainekriegs sei die Zahl der Kunden um ein Drittel gewachsen. Freitags versorge die Tafel bis zu 150 Kunden, hinter denen im Schnitt 2,5 Personen stünden. „Man denkt, wir haben immer viele Waren, aber tatsächlich gibt es auch Zeiten, in denen wir froh sind, überhaupt etwas anbieten zu können“, erklärt Huth. Besonders wichtig ist es Huth, mehr gesetzliche Unterstützung zu erhalten: „Es wäre wünschenswert, dass Märkte gesetzlich verpflichtet werden, überschüssige Lebensmittel an Tafeln abzugeben.“ Zusätzlich zu den regulären Öffnungszeiten hat die Wieslocher Tafel vor eineinhalb Jahren Sonderöffnungszeiten für Senioren und gesundheitlich beeinträchtigte Menschen eingeführt. „Das gibt uns die Möglichkeit, uns auch ein bisschen mehr Zeit für persönliche Gespräche zu nehmen“, sagt Huth. (Text/Fotos: Matthias Busse)